Den Kompass der Angst positiv nutzen lernen

Wie man den Kompass der Angst positiv nutzen kann, um Potentiale für die eigene persönliche Weiterentwicklung aufzudecken und zu nutzen.
(Letztes Update von Niklas Baumgärtler am 26.5.2021)

Den Kompass der Angst positiv nutzen lernen

Eine der Emotionen, die den meisten von uns – neben der Wut – am wenigsten zuspricht, ist im Allgemeinen jene der Angst. Allzu oft ist es uns – vor allem den Männern – eingetrichtert worden, man dürfe keine Angst zeigen. Bereits sie zu fühlen sei ein Zeichen von Schwäche. Aber was ist Angst überhaupt? Und wie können wir lernen, unsere Angst positiv zu nutzen?

Viel ist bereits geschrieben worden über die hemmende Funktion der Angst, die – positiv betrachtet – den allzu überschwänglichen und damit potentiell selbst- und fremdgefährdenden Mut in Zaum zu halten vermag. Ebenso über die mehr oder weniger konstruktive Überwindung dieser in uns allen eingebauten Funktion.

In diesem Artikel jedoch möchte ich über einen auf den ersten Blick wohl etwas paradoxeren Zugang zur Angst schreiben: Sie als Kompass zu benutzen, der uns bei der persönlichen Weiterentwicklung behilflich sein kann.

1. Was ist Angst – wie kann sie positiv sein?

Was ist Angst überhaupt? Sie funktioniert wie ein abstoßender Magnet, der die Kompass-Nadel unserer Intention von einem bestimmten Punkt im Zentrum des Magnetes abzulenken vermag. Wir wollen etwa öffentlich singen, haben aber Angst davor ausgelacht zu werden. Unsere Angst wird Druck auf uns ausüben, Situationen zu meiden, in denen wir öffentlich singen würden.

Wie bei einem Magneten ist die Wucht, mit der diese Abstoßung passiert, proportional zu der Genauigkeit, mit der wir uns auf das Zentrum dieses Magneten ausrichten. Mit anderen Worten: Je genauer wir uns auf dieses Zentrum ausrichten, desto mehr fühlen wir die abstoßende Wirkung jenes umgekehrten Magneten. Wobe wird die Angst vor dem Ausgelacht-werden stärker fühlbar sein: Wenn wir uns mit jemandem treffen, um einen öffentlichen Auftritt auszumachen, oder wenn es nur darum geht, in der Dusche zu singen?

2. Rationalisierungen

Auf einer unbewussten Ebene ist dies ein sehr alltäglicher Vorgang, der uns in den meisten Fällen gar nicht bewusst wird. Der abstoßende Effekt, der zu einer Neuausrichtung unserer Intention führt, wird für uns dann gar nicht wahrgenommen. Wir können nicht erklären, warum wir unsere Ausrichtung verändert haben. Und doch „stolpern“ wir ohne es zu wollen in eine Art von Vermeidungsverhalten.

In einigen Fällen jedoch können wir den Effekt der magnetischen Abstoßung dann doch halb-bewusst wahrnehmen, bevor wir uns zumindest auf den ersten Blick rational wirkende Erklärungen zurechtlegen, um uns zu beruhigen. Dann erzählen wir uns selbst (und anderen) etwa Sätze wie „Das bin ich einfach nicht.“ Als wäre das Selbst eine statische Größe, die sich dauerhaft nach solchen Kategorien einordnen ließe.

Als vorläufige Erleichterung im Hinblick auf die Frage was jetzt als nächstes zu tun sei kann eine solche Selbsteinschätzung durchaus von Nutzen sein. Aber als endgültige, definierende Feststellung dient sie eher als ausbruchssicheres Gefängnis, erzeugt durch eine übersteigerte Angst, die ihre natürliche und an sich nützliche Funktion überwuchert hat. Und so nehmen wir uns selbst die Möglichkeiten, die uns die Welt bieten würde.

Wie können wir nun also die Angst positiv nutzen? In dem wir das Negative, die Abstoßung, durch eine bewusste Entscheidung positiv besetzen.

3. Die Angst als Magnet wahrnehmen lernen

Ob wir die Angst nun klar und deutlich als solche wahrnehmen können oder nur sehr grob als „unangenehm“, ob sie gerichtet ist oder unbestimmt, sie ist durchaus (kinästhetisch betrachtet) als Druck spürbar, ähnlich wie man einen abstoßenden Magneten erspüren kann. Wenn man sich erlaubt, das Gefühl für einen kleinen Moment ohne Wertung auszuhalten.

Die unbewusste und automatische Reaktion auf diesen Druck ist es, dem Druck nachzugeben, den Konflikt zu scheuen. Die Angst als unbewussten Kompass zu verwenden, um dem Unangenehmen möglichst verlässlich auszuweichen. Dazu eignet sich der Kompass der Angst recht gut, und in vielen Situationen macht diese Funktionsweise auch sehr viel Sinn. Etwa wenn es darum geht, realen Gefahren wie einem herannahenden Auto auszuweichen.

4. Die Angst überwinden – oder positiv nutzen

Es gibt aber noch eine andere Art und Weise mit der Angst umzugehen: über den spürbaren Gegendruck genau jenen Punkt zu erspüren, an dem sich das abstoßende Zentrum befindet, das unsere Angst auszulösen vermag.

In diesem Zentrum sitzt meist der Schmerz verborgen, vor dem wir eigentlich ausweichen. Wenn wir es schaffen, uns diesem Zentrum nah genug zu nähern, finden wir aber dort auch die Möglichkeit echter Entwicklung vor. Den Punkt, an dem das angstvolle „Das bin ich einfach nicht“ überrascht feststellen darf, dass auch diese Idee am Ende auch nur Ausdruck einer einst für unbezwingbar gehaltenen Angst war. Die sich nun doch nur als zwar herausfordernder, aber doch bezwingbarer Gegner erweist.

Was sind deine größten Ängste? Wovon fühlst du dich am meisten „magnetisch abgestoßen“? Genau dort sind deine größten Entwicklungspotentiale verborgen. Nutze die Fähigkeit deiner Angst dich zu führen, aber bestimme du den Weg. Wenn du dir nicht sicher bist, folge dem Gegenteil von dem, was sie dir gedankenlos zu raten scheint. So kannst du deine Angst positiv nutzen – als unbeabsichtigte Führerin zu dem, was sie deinem bewussten Geist verbergen will.

5. Wobei dieser Ansatz Sinn macht – und wo nicht

Wie der aufmerksame Leser schon erkannt haben wird, geht es mir in diesem Artikel nicht um jene Ängste, die uns im Alltag durchaus hilfreiche Dienste leisten. Etwa die Angst davor, überfahren zu werden, die uns daran erinnert nach Autos Ausschau zu halten wenn wir über die Straße gehen. In diesem Fall wäre es natürlich nicht sinnvoll, das Gegenteil davon zu tun und es mit geschlossenen Augen zu versuchen.

Aber wo dieser etwas paradoxe Zugang erstaunliche Potentiale freisetzen kann, ist das Gebiet der Glaubens-Sätze, betreffend die Welt und sich selbst. „Ich werde nie viel Geld besitzen“, „Niemand liebt mich“, usw. Dort kann dieser Ansatz wahre Wunder bewirken.

Also: Wovor hast du Angst? In welche Entwicklung will diese Angst dich führen? Wenn du ihrer Führung folgst und darauf achtest, dich immer nur jeweils so weit zu nähern, wie du es aushalten kannst ohne zurückweichen zu müssen, ist der Durchbruch nur noch eine Frage der Zeit.

Viel Freude beim Selbst-Entdecken! Den Weg zu den größten Entdeckungen findest du ja jetzt selbst 🙂

Portrait Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler interessiert sich für die Kunst der Begeisterung und macht gerne Wechsel- und Hebelwirkungen in Sozialen Systemen sicht- und erlebbar. Mehr über Niklas Baumgärtler...

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