#146 Sternenstaub

Ungewollt fast ein bisschen Shakespear-haft geworden - aber macht dafür Spaß, es laut auszusprechen wie im Theater :)

„Halt ein!“, rief ich, zutiefst erfreut
Als sah dein Leuchten ich erneut
Bin auch ein Stern! Will mit dir ziehen
Bevor wir noch allein verglüh‘n
Du riefst zurück, „So komm doch mit“
Ich wähnte mich im tiefsten Glück
Beschloss, mit dir die Bahn zu teilen
Dir rasch noch hinterher zu eilen

Ein Doppelgestirn! So schwebt’s mir vor
Mal einer folgt, mal läuft wer vor
Wir drehn uns lachend um uns selbst
Erkunden uns, dabei die Welt
Wollt teilen, was zu teilen war
Und staunend rufen: „Es ist wahr!“
Wollt frei sein, mit dir, mit der Welt
Wollt leben, wie es uns gefällt

Geduld!, mahnst du, bin nicht allein!
Ich muss fürwahr noch Mutter sein
Hab Sternenkinder um mich geschart
Für sie hab ich hier ausgeharrt
Hab meine Kreise eng gezogen
Nun sag, was hat denn dich bewogen
Du junger Stern, weißt du denn nicht
Hier braucht’s Geduld, wenn du willst mich

Geduld, sags’t? Ha! Will mit dir gehn
Und mit den Jahren so manches sehn
Liebe auch meist das Szepter schwang
Doch als Zeit verging, etwas begann
Begann, die Runden dann doch zu zählen.
Begann zu raunen, du musst wählen!
Wählen musst du, rasch, mein Kind!
Sonst bist dahin, allzu geschwind
Bevor du ganz dein Licht geschaut
Wirst du sonst sein schon Sternenstaub!

Und dann, was bleibt von deinem Stern
Nett war er ja, man hatte ihn gern
Zog doch recht hilfreich fremde Bahnen
Zurück blieb nichts, nicht mal ein Namen
Und sollt er doch die Bahn verlassen
Wär klar, dass ihn dann alle hassen
Bloß doch ein Fremder, der gegangen
Den mal ein Stern hat eingefangen

Doppelgestirn, doch auf fremden Bahnen
Nun fragt er sich, wars zu erahnen?
Wars wirklich denn vorherbestimmt
Ist‘s immer so, dass jemand nimmt
Dass Gebenden nichts übrig bleibt
Als geben, geben, alle Zeit
Halt ein! Sagt eine Stimm‘ ihm dann
Entscheid dich, sagt sie, sei ein Mann!

Bekam nicht nichts, bekam zurück
Mit der Geduld wuchs Stück für Stück
Vertraun und Liebe, immer mehr
So wuchs die Bindung, vor mir her
Umwuchert‘ mich, mit starken Wurzeln
Bewahrt‘ mich vor so manchen Stürzen
Doch wächst der Baum auf Äther nur
Ein Wort von dir, und fort ist er

Ein Sternenleben? Bald vorbei
Drum ist’s wohl fern von einerlei
Auf welche Böden man sich pflanzt
Und wo man anlegt ganz die Hand
Worin das Herz legt alle Kraft
Auf dass der Boden Frucht erschafft
Denn Früchte gibt’s zwar allerlei
Doch welch‘ Frucht wohl die meine sei?

Nun stellt sich groß die Frage mir
Warum, mein Stern, bin ich mit dir?
Bin weit von meinen Bahnen fort
Geduld bracht‘ mich an diesen Ort
Ist’s der, wo’s Schicksal mich will haben
Um zu entdecken, zu erfahren
Hier deines Lichtes Widerschein
Bin ich am Ende hier daheim?

Oh Doppelgestirn! Wo willst du hin?
Ach, hätt‘ ich doch nur Klarheit in
Dieser Frage aller Fragen
Dann wär‘s so leicht, es gleich zu wagen
Geschwind würd ich den Weg bereiten
Damit kannst glücklich mich begleiten
Niemals mehr schauten wir zurück
Schau’n nur nach vorn, schau’n unser Glück

Und doch, die mahnend Stimme ruft
Vergiss niemals, dass du verflucht
Verflucht nun schon ins vierte Glied
Verflucht seit dem verdammten Krieg
Den fortgeführt hat jedermann
Weil niemand jemals anders kann
Weißt du denn nicht, dass du musst fort
Fort von diesem Zufluchtsort

Bist Stern! So leuchte von der Ferne
Fern von hier haben wir dich doch gerne
Vertrau’n ist nur was für andere Leut‘
Hab‘s schon gesagt, ich sag’s erneut
Für dich gibt’s hier nur Leid und Tod
Wohin du kommst, erzeugst du Not
Drum geh! Bevor du Wurzeln schlägst
Geh! Bevor du es wieder erlebst!

Du Narr! Hast etwa Wurzeln eingeschlagen
Und nun wunderst dich über Unbehagen?
Natürlich zitterst du und bebst
Hast doch nur allzu oft erlebt
Wie bricht und blutet schwer ein Herz
Hast du noch nicht genug vom Schmerz?
Hast immer noch nicht ganz verstanden
Warum sich Sterne niemals banden?

Fallen wirst du, du Komet!
Verglühen rasch auf diesem Weg
Geduld nur näher bringt den Fall
Kehr um, nun, rasch! Zurück ins All!
Bevor nun ihre Schwerkraft dich
Ganz in Bann zieht unweigerlich
Bevor du gehst ganz und gar auf
Alsbald vergessener Sternenstaub

Doppelgestirn! Sagst du und meinst
Dass Liebe vielleicht dich doch noch heilt
Dass du nicht Fluch, Fluchbrecher bist
Der Krieg endlich zu Ende ist
Stell dir nur vor! Die Welt gäb‘ Recht
Und dies wär‘ nun wirklich das letzte Gefecht
Und mit etwas Vertrauen, und etwas Bemüh‘n
Würden endlich zwei Sterne gemeinsam erglühn

Welch seltener Fund! Sind doch beide am Strahlen
Sie ziehen sich an, und hab’n doch eig‘ne Bahnen
Beleuchten mal dies, mal beleuchten sie das
Und haben dabei offensichtlich noch Spaß
Ein Doppelgestirn! So verbunden wie frei
Zieh‘n sie zusammen an uns vorbei
Teilen ein Leben, und vielleicht sogar zwei
Eines Tages, ja – Staub
Doch bis dahin zu zweit
Und damit – endlich
Endlich frei

Portrait Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler

Niklas Baumgärtler interessiert sich für die Kunst der Begeisterung und macht gerne Wechsel- und Hebelwirkungen in Sozialen Systemen sicht- und erlebbar. Mehr über Niklas Baumgärtler...

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